EX DRUMMER

Koen Mortier, BE, 2007
104 min., OmeU
Spielfilm
#de Für 3 gehandicapte Existenzen aus dem tiefsten Sumpf der belgischen Provinz soll Dries den Drummer in einer neuen Punkrock-Band geben. Fasziniert von Dreck und Elend, willigt er ein und die Feminists sind geboren. Ein hochexplosives, über die Stränge schlagendes Sozialdrama zwischen Delirium und Scharfsinn.

#en A thoroughly offensive and often hilarious punk requiem about rape, murder, violence, kinky sex, drugs, destruction, bad manners and rock 'n' roll -- not necessarily in that order.

Screening in Kooperation mit @TilMidnightMovies
Ex Drummer basiert auf einem Roman des belgischen Schriftstellers Herman Brusselman, der in seiner Heimat als echter „Poèt maudit“ gilt und dementsprechend mehr gehasst als geliebt wird. Seine Bücher galten stets als unverfilmbar – zu extrem, zu krass, zu pervers erschienen sie belgischen Literaturkritikern bislang. Wenn man um die Vorgeschichte der literarischen Vorlage und ihres Urhebers weiß, erstaunt der Mut oder die Lust an der Provokation um so mehr, dass ein junger, aufstrebender Regisseur sich für seinen ersten großen Film ausgerechnet solch ein schwieriges Terrain aussuchte, um sich der Öffentlichkeit vorzustellen.

Und tatsächlich fielen die ersten Reaktionen dementsprechend reserviert bis ablehnend aus – der Film stieß in Belgien nicht auf allzu viel Gegenliebe – als zu krass und düster empfanden viele Belgier das Bild, das Koen Mortier von seinen Landsleuten zeichnete. In der Tat wirken selbst die Unterschichten-Sozialdramen der Gebrüder Dardenne (Das Kind / L’Enfant) gegen den harschen Realismus des jungen Belgiers, der sich bei sämtlichen Filmförderanstalten vergeblich um Unterstützung bemühte, wie elegische Balladen voller Poesie und Träumerei. Mortier hingegen lässt kaum ein Tabu aus, die „Helden“ seines Films sind unglaublich kaputt, pervers und widerwärtig. Und doch – und das ist das eigentlich Erstaunliche an diesem brachialen und bisweilen surrealen Film – führt Mortier seine Protagonisten niemals vor, gibt sie zu keinem Zeitpunkt der Lächerlichkeit preis, bewertet er sie und ihr Tun niemals, sondern zeigt sie einfach, wie sie nun eben mal sind. Das ist ohne Zweifel bedrückend anzuschauen und für zartbesaitete Gemüter kaum guten Gewissens zu empfehlen. Doch zugleich wirkt so viel Ehrlichkeit, Offenheit und Direktheit abseits der sattsam bekannten Erzählmuster ungeheuer erfrischend und ernüchternd und erinnert an die Seele des Punk, der in den späten Siebzigern die fett und arriviert gewordene Rockmusik von unten her erneuerte. Es tut weh, sich auf diesen Film einzulassen, doch der Schmerz ist immer auch eine heilsame Erfahrung. Und das gilt erst recht für Ex Drummer, der mit Sicherheit einer der aufrüttelndsten und verstörendsten Filme des Jahres sein dürfte. Trotzdem – oder gerade deswegen – sollte man diesen Film auf keinen Fall verpassen – sofern man ihn aushält.

Screening