CHRISTIANE F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo

Uli Edel, DE, 1981
138 min., dt. OV
Spielfilm
#de Vergiss die Serie, nur das Original! Hier stehst du mit Christiane in der 1. Reihe auf dem legendären Berlin-Konzert von David Bowie. Hier dröhnt die Diskothek namens ‚Sound‘. So einen zeitlosen Clubraum, gilt es erst wieder zu erschließen. Der Film geht weit über Don’t take drugs hinaus. Er ist romantisch, bizarr und 90s-wunderbar.

#en Christiane F., Kai Hermann’s biography of a teen junkie and sex worker, caused a scandal on publication. As a recovering cocaine addict and father Bowie was shocked at witnessing teenagers getting their smack money from pick-ups at Berlin Zoo and so became interested in this film adaptation. Within the film, Bowie’s live show, tonally perfect Station to Station-era soundtrack and omnipresent image – on streets, subways and on vinyl albums passed from hand to hand – positioned him as a brooding god for the alienated youth of 70s West Berlin.
Was 1978 noch einen Skandal darstellte, schockt heute niemanden mehr. Der Bahnhof Zoo in Berlins Bezirk Charlottenburg ist immer noch weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt – wenn auch längst kein Treffpunkt für die harte Drogenszene mehr, so hat er von seiner Anziehungskraft für Gestrandete jeglicher Art (von jugendlichen Ausreißern bis zu obdachlosen Flaschensammlern) doch kaum etwas verloren. Christiane Felscherinow, besser bekannt als Christiane F., war ein Kind von Bahnhof Zoo. Es war ihre Geschichte, die die Stern-Reporter Kai Hermann und Horst Rieck anhand von Tonbandprotokollen von Gesprächen mit der damals 15-Jährigen aufschrieben. Zwei Jahre nach der Veröffentlichung des „Skandal-Buchs“ wagten sich Regisseur Uli Edel (Der Baader Meinhof Komplex) und dessen Ex-Kommilitone und Freund Bernd Eichinger (Das Parfum, Der Untergang) an den Stoff und schrieben mit „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ein Stück deutscher Filmgeschichte.

1975, Gropiusstadt, Berlin-Neukölln - graue Hochhäuserburgen, vollgepisste Aufzüge und mit Graffiti entstellte Wände: In dieser trostlosen Gegend lebt die 13 Jahre alte Christiane F. (Natja Brunkhorst) mit ihrer Mutter (Christiane Lechle), ihrer Schwester und ihrem Kater. Der Vater ist über alle Berge und die Mutter hat genug mit ihrem Job und dem neuen Freund zu tun. Christiane will einfach nur raus, was erleben. Die vollbusige Kessi (Daniela Jaeger), „der stärkste Typ“ aus Christianes Klasse, nimmt sie mit ins Sound, Europas modernste Discothek. Dort lernt sie nicht nur Detlef (Thomas Haustein) kennen, sondern auch die Wirkung ihres ersten Trips. Nach und nach werden die „Sound-Clique“ und mit ihr die Drogen zur Ersatz-Familie. Alle nehmen H (Abkürzung für Heroin, ausgesprochen: äitsch), nur Christiane lässt anfänglich die Finger von dem Zeug. Doch nach einem David-Bowie-Konzert nimmt sie, schwer enttäuscht von Detlefs Zuneigung zu einer anderen, doch was - fest davon überzeugt, dass sie sich völlig unter Kontrolle hat. Nach der Versöhnung mit Detlef gerät Christiane immer tiefer in die Drogenszene und muss sich bald das Geld für den nächsten Schuss auf dem Straßenstrich am Bahnhof Zoo verdienen.

Die Lebens-und Leidensgeschichte der Christiane F. ging erst kürzlich in die nächste Runde, als überall zu lesen war, dass sie ihren Sohn vernachlässige und erneut den Drogen verfallen sei. Die Drogen prägen seit nun mehr als 30 Jahren das Leben dieser Frau, deren Geschichte zum Standardrepertoire des Deutschunterrichts geworden ist. Uli Edel bemüht sich in seinem Regiedebüt „Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ um größtmögliche Authentizität: Gedreht wurde an Originalschauplätzen, das Spiel der jugendlichen Laiendarsteller ist erstaunlich intensiv und die Atmosphäre düster-depressiv. Diese miese Stimmung bekommt der Zuschauer bereits in der Titelsequenz zu spüren: Das lolitahafte Gesicht von Christiane F. füllt das Bild völlig aus. Ihre monotone Stimme aus dem Off erzählt: „Überall nur Pisse und Kacke, man muss nur genau hinsehen!“ Das hat gesessen.

Edel lässt jegliches Vorgeplänkel der literarischen Vorlage aus und setzt mitten im „Ghetto“ Gropiusstadt an. Klug gewählt ist auch das Voice Over von Natja Brunkhorsts als Christiane zu Beginn und am Ende, das den dokumentarischen Ansatz des Films eher unterstützt als aufhebt. Dieser Ansatz wird außerdem gestützt durch die Kameraarbeit, vor allem in den Disco-Sequenzen. Wie ein unsichtbarer Beobachter „verfolgt“ die Kamera die jugendlichen Darsteller auf ihren Wegen durch die verrauchten Räumlichkeiten und nimmt so die Position eines Begleiters ein. Der authentische Schlag geht letztlich nicht einmal durch den Gastauftritt David Bowies verloren, der die Szenen von seinem Konzert in der Deutschlandhalle extra für Edels Verfilmung nachdrehen ließ. Christianes großes Idol David Bowie ist allgegenwärtig - und das nicht nur musikalisch. Im Sound und beim nächtlichen Rumtreiben im Europacenter sind seine Hits von „TVC 15“ über „Look Back In Anger“ bis hin zu „Heroes“ zu hören, und Christiane trägt stolz eine „Bowie-Jacke“, die sie später ihrer Freundin Babsi (Christiane Reichelt) abtritt.