HEDWIG AND THE ANGRY INCH

John Cameron Mitchell, US, 2001
95 min., OV
Spielfilm
Die Rocky Horror Picture Show war gestern. Heute tourt die transsexuelle Hedwig, die ein zorniges Überbleibsel zwischen den Beinen hat, durch die Lande. Michael Pitt stiehlt ihr vielleicht die Lieder, aber nicht die Show!

Bitte um Reservierung und Abholung mindestens 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn. Beim Ticketkauf und Einlass gilt nach wie vor Maskenpflicht.

Hedwig hieß einst Hansel und lebte noch vor dem Mauerfall in Ost-Berlin. Zwei Träume hatte der einsame Junge: Ein Rockstar zu werden und seine 'andere Hälfte' zu treffen. Ein GI, der ihm Liebe und Freiheit in den USA verspricht, veranlasst ihn dazu, sich einer Geschlechtsumwandlung zu unterziehen. Diese missglückt und ein 'angry inch', ein schäbigen Rest, bleibt erhalten. Ein Jahr später sind die beiden geschieden. Hedwig haust in einem Trailerpark in Kansas, USA, und sieht im Fernsehen, wie die Mauer fällt.

Ein Film, der die Rocky Horror Picture Show mit feuriger Musikalität in eine neue Ära überträgt und Rock'n'Roll wieder ernst nimmt, wie dies schon lange kein Musical mehr getan hat: Hedwig and the Angry Inch heißt die Adaption eines Off-Broadway-Superhits, in der Regisseur und Hauptdarsteller John Cameron Mitchell das Zeremoniell des Glam-Rock der 70er wunderbar persifliert und zugleich todernst nimmt. Auf den Spuren von David Bowie, Iggy Pop und Lou Reed kommt Mitchell als Transvestit aus Ostdeutschland in die USA der 90er, wo sich das blond auftoupierte Beinahe-Frankensteinmonster «Hedwig» sehr bald einer Art Vorläufer von Marilyn Manson fast geschlagen geben muss. Sweet Pain! So wie Deutschland lange Zeit zuerst Trennung und dann Wiedervereinigung zelebrierte, erzählt diese Low-Budget-Orgie von leidvollen Geschlechter-Spielen, in denen Mann und Frau sich ähnlich prekär zueinander verhalten wie Kommunismus und Kapitalismus bzw. Studio-Mainstream und der so genannte Underground. Was Todd Haynes mit seiner Glam-Rock-Studie Velvet Goldmine nur spurenweise gelang, erledigt Hedwig and the Angry Inch im Vorübergehen: Spielerische Vermittlung der Leiden und Schwerkräfte im Sekundengeschäft Pop. (Claus Philipp)

Mein Vater war von 1984 bis 1988 amerikanischer Stadtkommandant von Berlin. Ich habe ihn oft in diesem riesigen Haus besucht. Mein Dad war Wächter über den westlichen Teil Berlins und er wachte natürlich als Vater auch über mein Leben. In Kreuzberg bin ich oft in Schwulen-Lokalen unterwegs gewesen. Dabei habe ich Leute getroffen, die meinen Vater sicher gerne mit faulen Eiern beworfen hätten. Das war eine sehr interessante Zeit. (John Cameron Mitchell)